Viele hervorragende Werke haben sich mit der Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes beschäftigt, viele exzellente Pferdekenner schreiben Bücher und Artikel und halten Workshops zum mentalen Umgang mit den Lebewesen, die aufgrund ihrer Evolution so empfindsam und ehrlich, in ihrer körperlichen Präsenz so stark und überzeugend sind. Was Reiter aber für sich selbst erarbeiten sollten, um das Spektrum der geistigen und körperlichen Fitness zu erreichen, die für ein erfolgreiches Miteinander von Pferd und Mensch erforderlich ist - hier findet sich noch Raum in der Pferdebücherwelt!
Das vorliegende Werk möchte die Lücke schließen, die das Reitvergnügen trüben kann: Sei es durch die Provokation körperlicher Beschwerden, die Unzufriedenheit mit der eigenen Vorstellung und Umsetzung oder durch unüberwindbar scheinende Disharmonien im System Mensch - Pferd.
Die reiterliche Fitness stellt vielleicht die umfangreichsten Anforderungen an die Qualitäten der körperlichen und geistigen Balance in der gesamten Sportwelt dar.
Neben den Grundlagen von Ausdauer, Koordination und Kraft wird ein Höchstmaß an Gleichgewicht, Wahrnehmung und Konzentration gefordert im Einklang mit Souveränität, Gelassenheit und Selbstkontrolle. Vorausschauendes Denken impliziert bereits eine außergewöhnliche Wahrnehmungsfähigkeit. Stimulationen selektiv zu koordinieren und dabei differenzierten Sitz und perfekte Körperkontrolle zu bewerkstelligen sind Grundfertigkeiten von höchstem Anspruch. Stressresilienz, wenn der Geduldsfaden zu reißen droht oder es kritische Situationen zu meistern gilt, ist Alltag im Reiterleben.
Das Pferd ist vor Jahrtausenden Partner des Menschen geworden. Als Zug- und Lasttier, Schlachtross, Freizeit- oder Sportpartner und im professionellen Bereich als Kollege oder Schutzbefohlener ist es aus der Menschheitsgeschichte mit all seinen Fähigkeiten nicht wegzudenken. Im Rahmen der Domestizierung gab es im Zusammenleben nicht immer einen respektvollen Umgang, so steckt häufig noch der Dominierungswunsch in den Köpfen der Reiter, Ausbilder und Züchter. Bereits die Rittmeister der alten Schule lehrten, dass die ungeheure Kraft des Pferdes nicht mit Gegenkraft durch Körperlichkeit, sondern durch Geisteskraft beherrschbar wird. „Mens sana in corpore sano - Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“, der römische Satiriker Juvenal brachte mit diesem Paradigma auf den Punkt, was das Reiten als Sport und Lebenseinstellung ausmacht: Die Harmonie von Körper, Geist und Verstand, das Erschaffen einer Balance, die unserem Pferdepartner mit seinem ausgeprägten Fluchtinstinkt signalisiert: “Hier findest du jemanden, der Verantwortung trägt, dem du vertrauen kannst, der deine Seele hält, so wie du seinen Körper trägst“. Diese Haltung ermöglicht eine wohltuende, freudvolle Symbiose zwischen Lebewesen, die sich auf einer Wegstrecke des Lebens begleiten, vielleicht bis ins hohe Alter - sei es im Leistungs- oder Freizeitsport, in der Therapie, bei der Bodenarbeit, aber immer aus Freundschaft.